Seit der Herausgabe
des Budgerigar World Magazins im Jahre 1982 habe ich etliche
Züchter in ihren Zuchtanlagen in aller Welt besucht.
Alle hatten sehr gute Ideen. Gelegentlich traf ich einige,
die sich wesentlich intensiver mit der Zucht befassten als
andere. Auf einen solchen Züchter traf ich kürzlich,
als ich Daniel Lütolf in Würenlos, nahe Zürich
in der Schweiz besuchte. Lütolf hat das besondere Auge,
wesentlich weiter in die Zukunft zu schauen, als es das
augenblickliche Schau-Ideal vorgibt. Er erkennt das, was
gegenwärtig bereits in der Spitze von einigen Züchtern
erbracht wird, dem augenblicklichen Standard und dem, was
auf den Schauen gewinnt, weit voraus ist. Harry Bryan in
England besaß diese Fähigkeit wie auch Jo Mannes
in Deutschland oder Henry George in Australien, um nur einige
zu nennen.
Lütolf ist heute 35 Jahre alt. Im Alter von 11 Jahren
besass er seine ersten Wellensittiche. Er kaufte sich die
ersten Vögel und baute damit seine Zucht auf. Anfänglich
wurde viel Zeit und Geld investiert, ohne einen nennenswerten
Erfolg zu erzielen. Dies wurde schlagartig anders, als er
von Heinrich Ott, einem Schweizer Spitzenzüchter, Vögel
erhielt. Heinrich Ott half ihm sehr, denn er gab ihm Vögel,
von denen er sehr gute Nachzuchten erhielt und mit denen
er die ersten Schausiege erzielte. Heinrichs Vögel
stammten alle von Ormerod & Sadler aus England.
Lütolf ist von Beruf Lehrer. Er unterrichtet ältere
Schüler in Mathematik, Geographie und Geschichte. Er
reist viel nach Übersee in ferne Länder, um seinen
Schülern die gemachten Erfahrungen und Eindrücke
von dort wiederzugeben. In dieser Zeit vertraut er seine
Vögel seinen Freunden an, auf die er sich hundertprozentig
verlassen kann. Auf diesem Wege nochmals ein Danke an alle,
die ihm dabei geholfen haben.
Seine Zuchtanlage ist sehr groß, konventionell gebaut
und auf drei Räume verteilt. Sie beherbergt qualitativ
hochwertige Vögel, die jedoch sehr schwierig zu erwerben
sind, wenn man nach den besten schaut. Er erkannte sehr
früh, dass er einen Vogel züchten musste, der
anderen weit voraus ist. Die Idee und die Eingebung hierzu
erhielt er durch seine Schnitzarbeiten und Malereien, die
er hobbymäßig betreibt. Ich mag einen großen
und gut proportionierten Vogel mit guter Länge. Ich
war mir immer bewusst, dass ein achteinhalb Zoll großer
Vogel (216 mm) auf den heutigen Schauen praktisch chancenlos
ist, sagte er. Alle heutigen Spitzenvögel verlangen
eine Größe von 240 mm, um den Vogel mit der gleichzeitig
gewachsenen Schulterbreite in Balance zu halten. Eine geringere
Größe führt zu einem nicht ausgewogenen
Vogel. Egal, welchen Vogel man auch immer züchten mag,
er ist auf Schauen nicht der Siegertyp. Er fuhr weiter fort:
Als Anfänger in der Zucht kann man sich für
einen Weg entscheiden, wie der von einem selbst gezüchtete
Vogeltyp später einmal aussehen soll. Man muss sein
Augenmerk schon konstant darauf richten und sich Jahr für
Jahr höhere Standards setzen. Für die Zucht habe
ich mir immer Vögel mit den größten Füßen
ausgesucht. Bei der Auswahl der Zuchthennen war ich allerdings
immer sehr vorsichtig. Grundsätzlich selektiere ich
Vögel mit einer starken Knochenstruktur, welche zudem
noch über einen starken Nacken verfügen. Es ist
allerdings bekannt, dass es gerade diese Vögel sind,
die uns in der Brut die größten Schwierigkeiten
machen.
Mit der gewachsenen Knochenstruktur bekamen wir aber auch
die ersten Schwierigkeiten, da die früheren Fußringe
für diese Vögel ganz einfach zu klein waren. Bei
einigen dieser Vögel mussten die Ringe von den Füßen
geschnitten werden, da sie einzuwachsen drohten und an den
Beinen der Vögel starke Entzündungen und Vereiterungen
verursachten. Heute erhalte ich vom Verband offizielle Ringe
mit einem Innendurchmesser von 4,4 mm. Diese Größe
ist perfekt und verursacht bei den Vögeln keine Schwierigkeiten
mehr.
Anmerkung Autor: An alle Vereinsvorsitzenden und Verbände
in England! Weisen Sie auf diesen Änderungsbeschluss
der Ringgröße hin, bevor wir in unserem eigenen
Land angeschuldigt werden, den Vögeln vermeidbares
Leid zuzufügen, weil wir sie mit einem zu kleinen Ring
beringen. Ein weiterer Ring mit der Größe von
4,2 mm kann für Vögel benutzt werden, die eine
nicht ganz so starke Knochenstruktur aufweisen. Diese zusätzlichen
0,2 mm in der Weite geben genügend Spielraum und verhindern
vermeidbare Probleme. Eigene Beschlüsse zur Anpassung
an diese neuen Ringgrößen würden uns in
Zukunft aus allen Problemen mit den uns aus Presse und Fernsehen
bekannten Gruppen heraushalten. Ich erwähnte dies bereits
vor Jahren. Leider hat sich bis heute daran nichts geändert.
GERALD BINKS.
Die Farbschläge
Lütolf besitzt viele Farbschläge. Man findet Spangles,
alle Normalen und einige wunderschöne Violette, Olive,
Lutinos, Texas Clearbodies, Gelbe, Aufgehellte und rezessive
Schecken. Alles von einer Qualität, wo einem das Wasser
im Munde zerläuft. Z. Zt. arbeitet er an der züchterischen
Verbesserung der Hellflügel. Lütolf sagt: Um
irgend einen Farbschlag zu verbessern, ist es notwendig,
ihn zunächst an die besten eigenen Vögel zu verpaaren,
die man hat. Dies ist genau das, was Reinhard Molkentin
und Jo Mannes mit den ersten Spangles machten, als diese
vor Jahren in Deutschland eingeführt wurden. Um die
Rezessiven Farbschläge, Clearbodies und auch Lutinos
zu verbessern, verpaare ich sie an Spangles. Der Spangle
verbessert diese Farbschläge enorm. Man sollte immer
daran denken, einen schwierigen Farbschlag zunächst
immer an die besten eigenen Vögel zu verpaaren und
wenn nicht vorhanden, einen solchen zu kaufen, egal welcher
Farbe.
Verpaarungen
Im Gegensatz zu vielen anderen Züchtern weicht Lütolf
von der konventionellen Art einiger Züchter ab, die
Normale untereinander verpaaren. Er vermischt ständig
viele Farbvarianten untereinander. Bei ihm einen schlechten
Vogel zu kaufen ist praktisch unmöglich, da man immer
eine gewisse Qualität in jedem Vogel erkennt, der einem
angeboten wird. Niemals verpaart er zwei Supervögel
miteinander, noch betreibt er Inzucht, schon allein deswegen
nicht, um Federprobleme und Zysten zu vermeiden. In der
Natur findet man nicht die Art der Verpaarung, wie wir sie
betreiben. Weiterhin achtet er darauf, dass Hähne sowie
Hennen, alt und jung, immer gemischt in den Volieren fliegen.
Die vermischte Haltung führt weiterhin dazu, dass sich
besonders junge Hähne nicht allzu sehr vor aggressiven
Weibchen fürchten, wenn man sie an diese verpaart,
da sie sich bereits aus dem gemeinsamen Flug her kennen.
Unbefruchtete Gelege sind daher aus diesem Grund nicht zu
befürchten.
Sieht er, dass sich ein Paar in der Voliere gefunden hat,
so setzt er es sofort an, da solche Zuchtpaare in der Regel
schnell zur Brut schreiten. Weiterhin steht Lütolf
der Verpaarungsart skeptisch gegenüber, rein Hellgrüne
oder Hellblaue untereinander zu verpaaren, oder auch andere
Farbschläge. Der einzige Weg, große und starke
Vögel zu züchten, ist der über die Auskreuzung.
Auch ein Harry Bryan war dieser Meinung, nicht so Dr. Alfred
Robertson, Süd Afrika, Spitzenzüchter ihrer Zeit.
Um seine Ansichten zu verstärken, kauft Lütolf
einen Einkreuzungsvogel und verkauft ihn auch anschließend
sofort wieder, wenn er mit ihm erfolgreich gezüchtet
hat. Hat er sein Erbgut eingebracht, so reicht ihm das.
Der Vogel hat damit seinen Zweck erfüllt.
Lichtphasen
Im Zuchtraum befindet sich ein sehr starkes Ventilationssystem
und neuerdings auch eine hervorragend geschaltete Sprühanlage,
die von Siegbert Oestringer konstruiert wurde, um dem ständig
anfallenden Staub Herr zu werden. In der Zuchtanlage war
während meines Aufenthaltes eine konstant frische Luft
zu spüren. Die Lichtphasen mit ihren unterschiedlichen
Intervallschaltungen waren sehr interessant. Um 7.00 Uhr
gehen morgens die Lichter an. Die Vögel kommen aus
ihren Nistkästen heraus, entledigen sich ihres Kots
und nehmen in aller Regel das erste Futter auf. In dieser
sehr frühen Phase treten sie sich meistens. Um 13.00
Uhr erlöschen alle Lichter, um sich gegen 15.45 Uhr
wieder einzuschalten. In dieser Zeit rasten die Vögel
für gewöhnlich, wie man es selbst bei sich zu
Hause erleben kann. Zu Beginn der zweiten Lichtphase um
15.45 Uhr treten sie sich erneut. Um 23.30 Uhr beginnt die
Nachtruhe bis morgens um 7.00 Uhr.
Fütterung
Um Diskussionen über die Fütterung zu vermeiden,
zieht Lütolf die natürliche Fütterungsart
vor. HORMOVA ist das einzige, von ihm nicht selbst hergestellte
Produkt, was bei ihm zur Anwendung kommt. Es sind aber primär
Vitamine aus Naturprodukten, die er verfüttert. Das
Trinkwasser wird täglich zweimal gewechselt, dem er
ein wenig Weinessig und Zitrone zusetzt. Dies hält
die Gefahr einer bakteriellen Verseuchung in Grenzen. In
der Zuchtphase erhöht er die Zugabe von Kanariensaat.
In der Ruhephase verfüttert er vornehmlich Hirsesorten.
Er meint, dass das Verfüttern von Sonnenblumenkernen
zur Verfettung der Vögel führt.
Kommen wir jetzt zum Gemüse, welches bei ihm verstärkt
verfüttert wird. Die Variationsbreite ist sehr groß
und beachtenswert. Zunächst einmal ist zu sagen, dass
alles vom Gemüsemarkt kommt. Peinlich achtet er darauf,
dass nichts gespritzt ist. Grundsätzlich verwendet
er nur natürliche Produkte: Fenchel, Pfeffer, Karotten,
Broccoli, Blumenkohl, Rote Bete, Weinblätter, Dosenmais
und Petersilie, um die meisten der von ihm gebräuchlichen
Gemüsearten zu nennen. Alles wird fein zerhackt und
anschließend gemischt. Diesem Gemisch setzt er 10
ml Olivenöl hinzu und vermischt alles gründlich.
Kleingeschnittene Apfelstücke werden auf den Boden
gelegt. Ich war schon erstaunt zu hören, zu was Olivenöl
nicht alles nützlich ist. Zeigen z.B. junge Vögel
im Nestlingsalter aus unerklärlichen Gründen eine
sehr blasse Haut, so gibt er ihnen ein wenig von diesem
Olivenöl in den Schnabel. Für gewöhnlich
verfärben sie sich danach wieder blassrosa. Warum dies
so ist, kann er sich nicht erklären, meinte er.
Den Tipp über die Gemüseherstellung hat er von
Reinhard Molkentin erhalten, der diese Fütterungsart
schon seit Jahren praktiziert. Eingeweichter Hafer und Weizen
werden ein um den anderen Tag verfüttert. Baumzweige
befinden sich immer in den Volieren und werden ständig
gewechselt.
Zusammenfassung
Glauben Sie mir, Lütolfs Vögel sind wirklich groß.
Ich kann dazu nur sagen, dass die Qualität der Lütolf-Vögel
mit das Beste ist, was ich in den letzten Jahren gesehen
habe.
Gerald Binks
Int. Tel.: 0044 1344 843250
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