Seit bald 20 Jahren züchtet Daniel
Lütolf mit Erfolg Wellensittiche. In seinem Keller stapeln
sich Pokale und Medaillen. Heuer holte er mit einem blauen Männchen
den Schweizer Meistertitel
Anouk Holzhuizen
Der Schönste
Schweizer Wellensittich hat genug von Fototerminen. Für
das Shotting lässt er sich nur mühsam überreden
bzw. mit dem Schmetterlingsnetz einfangen. Daniel Lütolf,
der diesjährige Meister des Schweizerischen Wellensittichverbandes
(SWV), kann ihn schliesslich in einen offenen Käfig
setzen. Um das gefragte Vogelmännchen zu beruhigen,
bringt er ihm seine Herzdame. Und schon ist das Männchen
abgelenkt. Ganz wie bei den Menschen.
"Das Sozialverhalten von Wellensittichen finde ich
wahnsinnig faszinierend", sagt der 31-järhige
Würenloser, der seit bald 20 Jahren Wellensittiche
züchtet. Die Vogelzucht nahm ihre Lauf, als er als
Teenager ein Wellensittichpärchen geschenkt bekam.
Die beiden zeugten innert Kürze ihre ersten Jungen.
Daniel Lütolf verkaufte die Abkömmlinge und freute
sich trotz Abschiedsschmerz übers Geld. Innert weniger
Jahren war der Vogelkäfig gegen eine grosse Volière
ausgetauscht und Lütolf belieferte die ganze Bezirksschule
Wettingen mit dem geselligen Federvieh zu 25 Franken pro
Stück.
Einen besonderen Platz in Daniel Lütolfs Vogel-Memoiren
hat Giovanni, ein kleiner Wellensittich aus dem Zoogeschäft.
Giovanni lehrte ihn die Freue am Experimentieren mit Gefiederfarben.
Dank seinem farbenprächtigen Kleid durfte Giovanni
verschiedene Liebespartnerinnen willkommen heissen, er diente
dem Jungzüchter sozusagen als Farbpalette. Als er mit
16 Jahren starb, hinterliess der Daniel Lütolf eine
bunte Sittichschar.
Heute verkauft er sie mit Abstammungsnachweis
für gutes Geld. Besucher sind nicht mehr nur Kollegen
und Bekannte, sondern Züchter aus der ganzen Schweiz,
Europa und sogar Übersee. Züchtern, von denen
er weiss, dass die Tiere schlecht gehalten werden, verkauft
er keine Vögel. Mit einem der Wellensittiche, einem
hellblauen Englischen Schau-Wellensittich, wurde Lütolf
am 11. November in Aarburg zum Schweizer Meister gekürt.
Was sich für Laien kaum von anderen Wellensittichen
unterscheidet, hebt sich für Kenner durch Proportion,
Gefieder und
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Mehr als ein Vogel:
Daniel Lütolf mit dem Champion (links)und seinem
Weibchen, das heut ein Ei legt. |
Schnalbelwuchs von der Masse ab. Auch Vogelschönheit
wird durch das Kinderschema bestimmt. Schön ist, wer
seinen Schnabel tief ins Gefieder eingebettet hat und mit
der Haube spielt. Dem Sieger oder der Siegerin winkt ein
Pokal und eine grosse Nachfrage nach Jungen des Champions.
Daniel Lütolf freut sich über den Sieg. Lieber
ist ihm jedoch der Titel "Beste Gesamtleistung",
wobei alle Preise der Meisterschaft addiert werden. Sie
weisen einen guten Züchter aus. Er hat diesen Titel
fünfmal in Serie geholt. Das Interessanteste an der
Zucht findet Daniel Lütolf das Verhalten der kleinen
Vögel aus der Familie der Papageien. " Die Wellensittiche
gleichen den Menschen. Sie leben in Familien, als Paare,
Kollegen, in Gruppen, und auch als homosexuelle Paare."
In Bezug auf Letzteres sind die Wellensittiche den Menschen
jedoch einiges voraus. Zwei turtelnde Weibchen oder Männchen
werden von der Gruppe ohne missbilligende Seitenblicke oder
gar Ausschluss akzeptiert. Auch Polygamie ist erlaubt, wobei
die Männchen sich eindeutig als die grösseren
Casanovas erweisen. Ab zu zu kommt es zu heftigen Eifersuchtsszenen.
Vor allem die Weibchen sind aggressive Kämpferinnen.
Wenn sich zwei Weibchen um ein Männchen oder eine Bruthöhle
streiten, kann es schon mal vorkommen, dass ein Weibchen
das andere zu Tode hackt. Und in jungen Freundeskreisen
sehen es die Männchen nicht gerne, wenn ihre Kollegen
sich plötzlich mehr für eine Vogeldame interessieren.
Treten Aggressionen auf, verteilt Daniel Lütolf die
Streithähne auf verschiedene Käfige. Die selbstlose
Liebe gibt es eben auch unter Wellensittichen nicht.
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