Daniel Lütolf ist jung, alternativ,
weltoffen und züchtet Wellensittiche. Er ist der Schweizer
Meister in diesem Fach.
Von Helene Arnet
Ein stimmungsvolles
Haus in der Würenloser Altwies. Am Garagentor blättert
die Farbe ab. Ein Plakat zeigt einen leuchtend grün-gelben
Vogel und den Schriftzug: "Verkaufe englische Schau-Wellensittiche".
Seltsame Pflanzen säumen den WEg. Und am Gitter des
Kellerfensters hängen gelbe und weisse flaumige Federn.
Hier also wohnt der Schweizer Meister des Wellensittichverbandes.
Es öffnet ein gross gewachsener schlacksiger junger
Mann im orangen Strickpullover. Wohl der Sohn des Schweizer
Meisters. Denn wer Wellensittiche züchtet, muss doch
- so die Vorstellung - angealtert, mit Bauch und konservativer
Gesinnung sein. Doch steht der Meister selbst da: weltoffen,
unternehmenslustig und mit alternativer Gesinnung. So wählt
er Grün und versucht, bewusst langsamer zu leben. Als
überzeugter Tier-und Umweltschützer ist der Mitglied
bei Greenpeace und WWF.
Daniel Lütolf sitzt am winzigen Küchentisch, der
von einer Ketchup-Flasche dominiert wird, und spachtelt
eine Orange nach der andern. WG-Groov um ihn herum. Und
er erzählt von seiner Leidenschaft: der Zucht von Wellensittichen.
Seit er elf ist, fliegt er auf Vögel. Sackgeld, Weihnachts-
und Geburtstagsgeld, auch die Gage fürs Fussballspielen
im 1.-Liga Klub setzte er lange Zeit für den Kauf neuer
Vögel ein. Er schwärmt von dem speziellen Glanz,
den ein deutscher Topzächter Wellensittichen ins Gefieder
brachte. Und er weiss, dass seine eigenen Vögel ganz
nah an dieser internationalen Spitze dran sind. "Sie
haben Ausstrahlung und Charme. Sie sind gross und haben
eine gute Körperhaltung. Das ist meine Spezialität."
Er spricht von Form und Farbe der Sittiche, die er wie ein
Künstler abschätzt. Schon früh faszinierte
ihn alles, was mit Ästethik und Design zu tun hat.
Er erzählt, wie er durch Pärchenbildung positive
Eigenschaften verstärkt und negative zum Verschwinden
bringt. Er spricht von "modellieren" und zuckt
zusammen:"Ich bin mir immer bewusst, dass ich es mit
Lebewesen zu tun habe." Er hat sich auf Wellensittiche
spezialisiert, weil er deren soziale, fröhliche und
zufriede Art mag. Und noch immer ergreift ihn der Anblick
des pochenden Herzens im Ei, wenn er es mit der Lampe beleuchtet.
Kopfschütteln. "Wie kann man nur Vögel züchten",
wird Daniel Lütolf von seinen Freunden gefragt. "Mein
Freundeskreis findet dieses Hobby fürchterlich, und
ich kann das nachvollziehen." Immer wieder muss er
sich rechtfertigen: "Ich mache keine Qualzuchten. Ich
verzichte auch auf Inzucht." Und wütend erzählt
er, dass immer noch viele Wellensittiche, typische Schwarmtiere,
einzeln gehalten werden. Ganz wohl ist
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Wellensittich-Züchter
Daniel Lütolf stösst oft auf Unverständnis:
"Wie kann man nur Vögel züchten",
wird er von Freunden gefragt. |
ihm in seiner Haut als Vogelzüchter selbert nicht,
doch kann er es einfach nicht lassen. Er liebt seine Vögel
- "jeden einzelnen", Zirka 250 sind es im Moment.
Er wendet täglich vier Stunden für ihre Pflege
auf, nimmt jeden in die Hand, streichelt ihn, spricht zu
ihm. Und wenn er ins Kellergeschoss kommt, in dem Vogelbauer
an Vogelbauer steht, dazu ein Freiflugkäfig mit Aussengehege,
dann flattern die Vögel nicht hysterisch auf. Sie betrachten
ihn ruhig, brüten, turteln, schnäbeln.
Daniel Lütolf ist im Schweizerischen Wellensittichverband
ein bunter Vogel, der durchs südliche Afrika tingelt,
während die andern ihre Vögel für die Meisterschaft
auf Vordermann bringen. Und wenn andere ihre Tiere nicht
aus den Augen lassen, ist er seinem Vater und Freunden überaus
dankbar, dass sie seine Sittiche betreuen, wenn er selbst
ausgeflogen ist. So hat er in den letzten Jahren zwar alle
grossen Schauen gewonnen. Doch für den Schweizer-Meister-Titel
(für den schönsten Vogel) reichte es ihm im November
2000 das erste Mal.
Gefieder über die Augen
Der Schönste muss mit der Zahnbürste
und Pinzette gepützelt werden, gecoacht und getimed,
damit sein Gefieder am Tag X glänzt. Damit er das Kopfgefieder
stellt, so dass es von vorn die Augen abdeckt. Schönheitsideal
ist das Kindchenschema. Dafür nahm sich Daniel Lütolf
erstmals Zeit, weil eine geplante Weltreise ins Wasser fiel.
"Zurzeit", so erzählt Daniel Lütolf,
während er sich einen weiteren Orangenschnitz in den
Mund schiebt, "zurzeit befinde ich mich in der Phase
des Umbruchs." Der 31-jährige verdient seinen
Lebensunterhalt normalerweise als Lehrer und sinnt über
eine neue Ausbildung nach. Er möchte nur noch Teilzeit
arbeiten und sich mehr Zeit für Freunde, Reisen, Literatur
und Musik nehmen. Und die Vögel? "Es gibt Leute,
die mit erfolgreicher Vogelzucht steinreich werden",
erklärt Daniel Lütolf. Aber das ist nicht seine
Welt. Ein bunter Vogel wie er will nicht nur unter bunten
Vögeln leben.
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